$1. Kabel

3 Darstellungen und die Schlussfolgerungen

 

&1. Mediendarstellungen nach dem Mord, vor der Hauptverhandlung gegen Philip Jaworowski

&2. Prozessbeobachtung / Medienartikel der WAZ-Gruppe von Helmut Ul lrich und Roland Mller

&3. Darstellungen laut Gerichtsurteil

&4. Zusammenfassung und kritische Betrachtung: Die Richter haben gelogen

 

 

&1. Mediendarstellungen nach dem Mord, vor der Hauptverhandlung gegen Philip Jaworowski

Nur ein Telefonapparat und die zugehrigen Kabel spielt eine Rolle. Darstellung der Staatsanwaltschaft, zitiert in vielen Medien (unter anderem der WAZ-Gruppe, der Ruhrnachrichten):

&- Philip Jaworowski ha be das Anschlusskabel des Festnetztelefons am Tatort aus der Wand gerissen.

&- Dann ha be er die Nadine mit dem Anschlusskabel des Festnetztelefons gedrosselt.

&- Nach Vollendung des Mordes ha be er das Anschlusskabel des Festnetztelefons sowie den Rest des Festnetztelefons mit nach Hause genommen und dort letztlich in einer Plastiktte hinter seinem Schrank versteckt.

& - Wochen nach dem Mord habe die Polizei die Plastiktte dort gefunden, und an dem Anschlusskabel htten sich DNA-Spuren von Nadine und von Philip Jaworowski und Blutanhaftungen gefunden.

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&2. Prozessbeobachtung / Medienartikel der WAZ-Gruppe von Helmut Ul lrich und Roland Mller

&- Erstmals war ffentlich die Rede davon, dass ein Steckerteil eines Telefinkabels unter der Leiche gefunden worden war. Dieses Steckerteil habe laut Aussage des kriminaltechnischen Experten Thomas M inzenbach, LKA-NRW, ursprnglich zum Festnetztelefon am Tatort gehrt.

&- Betreffend das Telefon-Anschlusskabel mit DNA- und Blutspuren, das hinter Philips Schrank gefunden worden war, berichteten Helmut Ullrich und Roland Mller von einer berraschung":

Der kriminaltechnische Experte Thomas Minzenbach hatte festgestellt, dass das hinter Philips Schrank gefundene Telefon-Anschlusskabel mit DNA- und Blutspuren NICHT zum Festnetztelefon am Tatort gehrt hatte und auch ansonsten keinem Gert oder Kabel am Tatort oder in der Wohnung des Philip zuzuordnen war.

Damit war das ursprngliche Bild entscheidend angegriffen:

&- Zwar war es noch plausibel, dass Nadine mit dem Anschlusskabel vom Festnetztelefon am Tatort gedrosselt worden war, schlielich hatte ein unter der Leiche gefundener, von jenem Kabel abgerissener Stecker ja sogar dem Anschlusskabel jenes Festnetztelefons kriminaltechnisch zugeordnet werden knnen.

&- Da das bei Philip gefundene Telefon-Anschlusskabel nicht das Anschlusskabel des Festnetztelefons am Tatort war, war das Anschlusskabel des Festnetztelefons am Tatort nach wie vor verschwunden. So kommt die Frage auf, wieso Philip, wre er der Tter, das Originalanschlusskabel des Festnetztelefons am Tatort unauffindbar verschwinden lassen habe, dafr ein anderes Kabel mit DNA- und Blutspuren wie ein Willkommensgeschenk fr die Polizei hinter seinem Schrank versteckt haben soll.

&- Whrend alles, inklusive des abgerissenen Steckerteils unter der gedrosselten Leiche, dafr sprach, dass Nadine mit dem Anschlusskabel des Festnetztelefons am Tatort gedrosselt worden war,

hatte man bei Philip nach Zeugenaussage des kriminaltechnischen Experten Thomas Minzenbach also ein anderes Kabel unbekannter Herkunft gefunden, an dem aber, als sei es das Drosselkabel gewesen, DNA- und Blutspuren hafteten. So kommt die Frage auf: Wieso hafteten DNA- und Blutspuren an dem bei Philip gefundenen Telefon-Anschlusskabel, da doch offensichtlich mit einem anderen Kabel gemordet worden war?

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&3. Darstellungen laut Gerichtsurteil

&- Auch im Gerichtsurteil wird das unter der Leiche gefundene Steckerteil eines Telefonanschlusskabels erwhnt, sogar mehrfach. Dabei behauptet das Gericht, die Herkunft dieses Kabelstcks sei ungeklrt geblieben, ungeklrt sei auch geblieben, wie es unter die Leiche gekommen sei. Man stelle sich vor: Unter einer mit einem Kabel gedrosselten Leiche, gefunden in einem brgerlichen Gste-WC, liegt ein abgerissener Kabelrest, und die Richter reden den einfach weg, so, als ob es ihn gar nicht gegeben htte!

&- Betreffend das bei Philip gefundene Telefon-Anschlusskabel mit DNA- und Blutspuren behaupten die Richter im Urteil, es sei dem Festnetztelefon am Tatort zuzuordnen, gehrte zu ihm.

&-Durch das Wegreden des abgerissenen Steckerstcks unter der Leiche und durch die Behauptung, das bei Philip gefundene Telefon-Anschlusskabel mit DNA- und Blutspuren habe zum Anschlusskabel des Festnetztelefones am Tatort gehrt, war es den Richtern mglich, die bereits ab Festnahme des Philip von der Staatsanwaltschaft ber die Medien verbreitete Version aufrechtzuerhalten , was sie auch taten:

Anschlusskabel des Festnetztelefons am Tatort aus der Wand gerissen, damit die Nadine gedrosselt, dann das Telefon samt Kabel mit nach Hause genommen und dort hinter dem Schrank versteckt, wo die Teile dann von der Polizei gefunden worden seien.

&4. Zusammenfassung und kritische Betrachtung: Die Richter haben gelogen

Die Darstellung des Gerichtes ist schon deshalb abzulehnen, weil das Telefonsteckerteil, das unter der mit einem Kabel gedrosselten Leiche gefunden worden war, vom Gericht einfach weggeredet, in die vllige Bedeutungslosigkeit verdammt wird. In brgerlichen Gste-WCs liegen abgerissene Telefonsteckerteile aber nicht zufllig herum, ganz besonders dann nicht, wenn eine mit einem Kabel gedrosselte Leiche im Gste-WC liegt.

Insofern liegt nicht nur ein schwerer kriminalistischer bzw. richterlicher Fehler in der Wrdigung von Tatsachen vor, sondern es wird an diesem Punkt auch deutlich, dass das Gericht die Tendenz hatte, sich alles passend zu machen, was dem von Anfang an von der Staatsanwaltschaft ber die Medien erklrten Tatszenario im Wege stand.

Der nchste Punkt ist, dass die Einordnungen des Gerichtes sowohl betreffend das Telefonsteckerteil unter der Leiche als auch betreffend das bei Philip gefundene Telefonanschlusskabel mit DNA- und Blutspuren eine genaue Verdrehung der von der Prozessbeobachtung zitierten Aussagen des kriminaltechnischen Experten Thomas Minzenbach sind:

Telefonsteckerteil unter Leiche: Gericht sagt, Herkunft ungeklrt, Minzenbach soll gesagt haben, es habe zum Festnetztelefon am Tatort gehrt.

Anschlusskabel mit DNA- und Blutspuren, gefunden bei Philip: Gericht sagt, es habe zum Festnetztelefon am Tatort gehrt, Minzenbach wird mit den Worten zitiert, es habe mit Sicherheit nicht" zum Festnetztelefon am Tatort gehrt, es habe auch zu keinem anderen Gert am Tatort oder im der Wohnung des Philip gehrt.

Dass die Einordnungen des Gerichtes eine genaue Verdrehung dessen darstellen, was der kriminaltechnische Experte Minzenbach laut Prozessberichterstattung der WAZ-Gruppe erklrt hatte, kann theoretisch auf eine von drei Ursachen zurckzufhren sein:

&- Der kriminaltechnische Experte vom LKA hatte falsch gelegen, und die Richter hatten ein zweites Gutachten machen lassen, das dann das genaue Gegenteil ergab. Diese Mglichkeit ist a us mehreren Grnden auszuschlieen:

Einerseits wre dieser Umstand zweifellos in der Prozessberichterstattung der WAZ-Gruppe, die ber jeden Prozesstag zumeist mit zwei Artikeln allein unter derwesten.de berichtete, neben Helmut Ullrich und Roland Mller wurde auch noch eine Journalistin eingesetzt, wenn einer der beiden verhindert war, erwhnt worden, da es ja um eine sehr wichtige Angelegenheit ging. Auch im Urteil findet sich absolut kein Hinweis auf ein kriminaltechnisches Gutachten, mit dem die Zuordnung der Kabel begrndet wird. Demnach ist davon auszugehen, dass es kein weiteres Gutachten in der Sache gab.

Die heute Kriminaltechnik selbst liefert in diesen Dingen sichere Ergebnisse: In welcher Buchse ein Stecker gesessen hatte, lsst sich anhand mikroskopisch erkennbarer Riefen sicher feststellen, bei mikroskopischer Betrachtung lsst es sich auch sicher erkennen, ob zwei abgerissene Kabelstcke zueinander passen, oder nicht. Ein unversehrtes Telefon-Anschlusskabel hat zwei Stecker, einen zum Anschluss hin, einen zum Telefonapparat hin. Sowohl Telefonanschluss als auch Telefonapparat am bzw. vom Tatort hatten dem Thomas Minzenbach zur Verfgung gestanden, und das bei Philip gefundene Kabel hatte jedenfalls noch einen Stecker. Wenn Minzenbach unter den Voraussetzungen feststellt, dass es nicht passt, so klar, dass er diese Aussage wrtlich mit Sicherheit" macht, dann passt es nicht, wenn man ihm nicht bewusste Lge unterstellen wird, fr die er erstens keinen Anlass haben konnte, die zweitens empfindliche Konsequenzen fr ihn htte haben knnen (Arbeitsplatzverlust, Anklage wegen falscher Zeugenaussage). Das selbe gilt betreffend das Steckerteil, das unter der Leiche gefunden worden war.

&- Die Journalisten Helmut Ullrich und Roland Mller hatten falsch berichtet, genau verkehrt herum. Das wre allerdings kaum vorstellbar: Das Drosselwerkzeug Telefonkabel war das wichtigste Indiz in der Beweisfhrung, die beiden Journalisten galten lngst als erfahrene Prozessberichterstatter, sie waren beauftragt von einem der grten Medienunternehmen Deutschlands, der WAZ-Gruppe, die in ihrem Kernland Ruhrgebiet besondere Sorgfalt in der Berichterstattung walten lassen muss, und die Formulierungen (gestern nun die berraschung","mit Sicherheit nicht", lie gestern keinen Zweifel daran") lassen erkennen, dass der strittige Punkt vor Gericht hart kontrovers diskutiert, Thomas Minzenbach aber bei seinen Urteilenn geblieben war.

Sollten also zwei erfahrene Prozessberichterstatter sachlich einfache Aussagen eine s Zeugen, die dieser entschieden verteidigen musste, verdreht haben? Dann wren sie zweifellos vllig unfhig, als Prozessberichterstatter zu arbeiten, ihren Ausfhrungen ber Prozessinhalte knnte man nicht mehr trauen. Aber nicht nur das: Um solche Flle sicher auszuschlieen, die einerseits Leserschaft verprellen, andererseits aber auch fr reibungsfreie Berichterstattung wichtige gute Beziehung zu Justiz und Polizei nicht zu gefhrden, ist es blich, dass Journalisten den zustndigen Pressesprechern bei Gericht und Polizei Vorab-Versionen ihrer Artikel zukommen lassen, die sie sich quasi genehmigen lassen. Man kann insgesamt ausschlieen, dass Helmut Ullrich und Roland Mller falsch berichtet hatten, was Minzenbachs Aussagen angeht: Erstens ist es sehr unwahrscheinlich, dass gleich zwei erfahrene Prozessberichterstatter den selben Fehler machen, einen einfachen Sachverhalt, der aber eine groe Rolle spielte, falsch wiederzugeben, zweitens ist es sehr unwahrscheinlich, dass zwei Artikel mit diesem falschen Inhalt keine Beanstandungen das Korrekturlesen der Justiz im Vorfeld passiert htten, drittens ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein solcher falscher Bericht noch Jahre spter, konkret rund fnfeinhalb Jahre, falsch im Internet stehen wrde.

&- Die Richter haben die Tatsachen verdreht, das heit, Thomas Minzenbach war korrekt zitiert worden und seine Zeugenaussagen waren auch wahr. Damit htten die Richter die Grenzen der richterlichen Unabhngig klar berschritten, denn eine Verflschung von Beweismitteln, wozu auch Zeugenaussagen gehren, ist durch die richterliche Unabhngigkeit nicht gedeckt: Richter haben Tatsachen zu wrdigen, nicht zu verdrehen.

Im Gegensatz zum LKA-Experten Thomas Minzenbach und den Journalisten Helmut Ullrich und Roland Mller lsst sich bei den Richtern feststellen, dass sie erstens ein Motiv hatten, um so zu verfahren, denn die bernahme der Zeugenaussagen des Thomas Minzenbach htte die einfache Version: Angeklagter reit Telefonkabel aus der Wand, drosselt damit. nimmt es samt Telefonapparat mit und versteckt es zu Hause, ja zu Fall gebracht.

Die zitierten Aussagen des Thomas Minzenbach htten die Fragen aufgeworfen, wo denn das Original-Anschlusskabel vom Festnetztelefon geblieben sei, warum der Verurteilte zwar jenes, nicht aber ein Kabel mit DNA-Spuren habe verschwinden lassen, warum berhaupt DNA - und Blutspuren an einem Kabel waren, das hinsichtlich seiner Herkunft nicht einzuordnen war, whrend der Tter doch mit dem fehlenden Anschlusskabel vom Festnetztelefon htte drosseln knnen, was ja offenbar auch geschehen war, denn das abgerissene Steckerteil unter der Leiche hatte nach den zitierten Aussagen Minzenbachs ja zum Anschlusskabel des Festnetztelefons am Tatort gehrt.

Dass die Richter bei der einfachen Version auch unter Zurechtrcken von Tatsachen Interesse zeigten, lsst sich schon anhand des Urteils selbst erkennen, indem sie (s. oben) das unter der Leiche gefundene Telefonsteckerteil praktisch fr bedeutungslos erklren.

Weiterhin hatten die Richter bei einer Tatsachenverdrehung im Strafurteil ein Risiko grundstzlich nicht zu frchten: Dass die Sache an die ffentlichkeit gelangen wrde. Strafurteile werden blicherweise nicht verffentlicht, sie verschwinden sozusagen unter dem Teppich. Eine Gefahr htte nur darin bestehen knnen, dass die Verteidigung des Philip Jaworowski Urteilsfehler herangezogen htte, um eine Revision zu begrnden. Doch bevor das Urteil auf dem Tisch lag, hatte die Verteidigung die Revisionsfrist bereits ungenutzt verstreichen lassen, mglich gewesen wre nur noch ein Wiederaufnahmeantrag getragen, gesttzt darauf, dass das Gericht wesentliche Tatsachen verdreht hatte.

Doch diese Mglichkeit konnten die Richter wahrscheinlich ausschlieen, denn die Verteidigung hatte niemals erkennen lassen, dass sie den vom Angeklagten bis zum Prozessbeginn verteidigten Standpunkt, er sei gar nicht der Tter, zu verteidigen bereit war. Zudem lassen sich im Internet zahllose Flle finden, in denen Richtern die Missachtung wichtiger Tatsachen oder gar deren Verdrehung (Opfer zum Tter machen, z.B.) vorgeworfen wird ohne, dass es einen winzigen Hinweis darauf gibt, dass solches Vorgehen jemals Konsequenzen fr die Richter gehabt habe.