29.11. 2012

Zu den angeblichen Straftaten des Gustl Mollath, Teil 1

1. Komplex: Angebliche Körperverletzungen am 12. August 2001

Angeblich soll Gustl Mollath seine Frau am 12. August 2001 bis zur Ohnmacht gewürgt,  geschlagen und außerdem gebissen haben. Am 14. August 2001 wird Petra Müller, Gustl Mollaths damalige Frau, bei der praktischen Ärztin Dr. Madleine Reichel, Nürnberg, vorstellig, der sie erzählt, von ihrem Mann misshandelt worden zu sein und die daraufhin nach ihren Worten Verletzungen festgestellt haben will. Die angeblichen Verletzungen werden allerdings erst am 03. Juni 2002 in einem Attest von der Dr. Madleine Reichel bescheinigt.

Leider ist das Attest nicht veröffentlicht, leider sind Angaben über die Art der Körperverletzungen diffus. Auf der Gustl Mollath-for-Help Seite heißt es, er solle seine Frau mit der flachen Hand geschlagen haben, im Strafurteil ist von mindestens 20 Faustschlägen und von Fußtritten die Rede. Der zweifellos schlimmste Vorwurf, das Würgen bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit, wird allerdings an allen Fundstellen genannt.

Jedenfalls sind folgende Fragen von Bedeutung:

1. Was geht aus dem Attest überhaupt genau hervor? Im Urteil ist z.B. von "Würgemalen am Hals unterhalb des Kehlkopfs zentral medial" die Rede, doch tatsächlich ist es äußerst fraglich, ob eine praktische Ärztin eine sichere Aussage darüber machen kann, ob ein Hämatom als "Würgemal" einzustufen ist, oder in anderer Weise (z.B. durch Kniffe) herbeigeführt wurde. Zwar gibt es einigermaßen zuverlässige Möglichkeiten, fingierte Würgemale in den meisten Fällen als fingierte Würgemale zu entlarven - aber davon hat ein praktischer Arzt im Regelfalle absolut keine Ahnung.

2. Geht man davon aus, dass die Ärztin Dr. Madleine Reichel gemeint hatte, dass Gustl Mollath seine Frau bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt hatte usw.,  so wäre die Ärztin  zweifellos verpflichtet gewesen, dem Gesundheitsamt eine Meldung zu machen, denn dann hätte sie ja befürchten müssen, dass Mollath in gefährlicher Weise geisteskrank sei und seine Frau bei nächster Gelegenheit noch etwas länger würgen könnte. Warum also hat Dr. Reichel keine solche Meldung gemacht?

3. Sofern so schwere Beschuldigungen wie Würgen bis zur Ohnmacht gemeldet werden und dabei auf Hämatome am Hals verwiesen wird, die als Würgemale erklärt werden, wäre die Ärztin Dr. Reichel, der zweifellos das fachliche rechtsmedizinische Wissen  und die rechtsmedizinische Praxis fehlen, auch gut beraten gewesen, ihre Mandantin an einen geeigneten  Rechtsmediziner zu überweisen, um eine fundierte Diagnose zu ermöglichen. Auch das ist offensichtlich nicht geschehen.

4. Da die Misshandlungen doch so erheblich gewesen sein sollen, stellt sich auch die Frage, warum Dr. Reichel das Attest erst fast zehn Monate später ausstellte - und auf welcher Basis sie es dann tat. Schriftliche Stichpunkte? Bilder? Erinnerungen? Von Petra Müller aufgefrischte Erinnerungen?

5. Noch bemerkenswerter ist der Umstand, dass Petra Müller, die doch ein eigenes Einkommen hatte und zweifellos als selbstständige und selbstbewusste Frau einzuordnen war, trotz der erheblichen und äußerst gefährlichen Misshandlungen, die sie ihrem Mann vorwirft, noch fast neun Monate die Wohnung mit ihm teilte, aus der sie erst im Mai 2002 auszog. Warum also setzte sich Petra Müller noch rund neun Monate lang dem Risiko aus, dass ihr Mann bei nächster Gelegenheit gründlicher würgen könnte?

Zusammenfassung: Sowohl Ärztin Dr. Madleine Reichel als auch Petra Müller, Gustl Mollaths damalige Frau, haben sich, falls die Beschuldigungen der Petra Müller in diesem Punkt wahr sein sollten, völlig unverständlich verhalten.

Verständlich wäre das beschriebene Verhalten allerdings, wenn es lediglich um fingierte oder nicht vorhandene Verletzungen gegangen sein sollte: Dann wird verständlich, dass die Ärztin das Gesundheitsamt nicht informierte, dann wird verständlich, dass sie ihre Patientin nicht an einen Rechtsmediziner überwies, dann wird verständlich, dass sie das Attest erst 10 Monate später ausstellte, als ihre Befunde nicht mehr durch Kollegen überprüft werden konnten, und dann wird auch verständlich, dass Petra Müller noch rund neun Monate lang kein Problem darin sah, die Wohnung mit Gustl Mollath zu teilen.

Auch aus täterpsychologischer Sicht scheinen die Vorwürfe allerdings nicht haltbar zu sein: Abgesehen von Gustl Mollaths ex-Frau und deren Bruder scheint es niemanden zu geben, der dem Gustl Mollath nachsagt, irgendwann gewalttätig geworden zu sein. Für jemanden, der noch niemals gewalttätig in Erscheinung getreten ist, wären so massive Gewaltausübungen  äußerst ungewöhnlich.  Noch ungewöhnlicher wäre es dann, dass er seine Frau nicht tagtäglich grün und blau geschlagen haben soll, sondern dass er nur ein einziges Mal so massiv agiert haben soll - während die Spannung in der Ehe doch zweifellos über Monate andauerte. Man wird eine beachtliche Zahl von Fällen finden, in denen eine Frau regelmäßig von ihrem  Mann geschlagen wird, aber wohl kaum auch nur einen, in dem ein Mann einmal wie von Sinnen prügelt, beißt und würgt, sich Jahre lang vorher und Monate nachher aber friedlich verhält.

Dipl.-Kfm Winfried Sobottka