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04. 12. 2012

Nebelkerzen und Gespenster-Diskussion um Gustl Mollat, Bayern-Justiz und Justizsystem

Um eines vorwegzunehmen: Ich bin natürlich nicht der Schlauste. Allein in Deutschland gibt es ein paar Millionen Menschen, die mehr Grips im Kopf haben als ich. Auch mein Abitur war miserabel: Schnitt von 3,82, schlechter geht es selbst theoretisch kaum noch. Ich habe die Schule allerdings verachtet, unter denen meines Jahrgangs, die das Abi überhaupt schafften, war ich der unangefochtene Fehlstunden-König.

Viele Lehrer hatten die Bezeichnung Lehrer gar nicht verdient gehabt, aber ein paar gab es, denen habe ich wirklich viel zu verdanken. Zum Beispiel die Deutschlehrer Günter Höfig und Ulrich Kohllöffel, zum Beispiel den Mathelehrer "Charly" Grüger, zum Beispiel den Englischlehrer Heinz Schwedes, den Latein-Lehrer Konopka. So unterschiedlich diese Lehrer hinsichtlich ihrer Persönlichkeiten sonst auch waren, so hatten sie eines doch gemein: Sie nahmen es genau mit Tatsachen und Logik, und forderten das kompromisslos auch von uns Schülern. Das von ihnen servierte Brot war gelegentlich hart, aber man lernte dabei, wie man kauen muss. Schon deshalb hätten die genannten Lehrer das Bundesverdienstkreuz verdient.

Im Sprachalltag geht vieles daneben. Neulich hatte jemand erklärt: "Der und der stellte das und das fest."  Ich sagte: "Du vertrittst doch begründet die Auffassung, dass er mit seinen Worten falsch liege?" - "Ja." - "Wenn er tatsächlich falsch liegt, dann kann er nicht festgestellt haben, denn "feststellen" kann man nur Wahres, behaupten kann man hingegen alles."

Man halte mich jetzt bitte nicht für kleinkariert - wer die wahre Bedeutung von Worten nicht kennt oder sie zwar kennt, aber nicht beachtet, ist ein ideales Opfer jeder demagogischen Irreführung. Die deutsche Verbrecherjustiz ist geradezu, ebenso wie die Verbrecher-Politiker und die Verbrecher-Psychiater, darauf getrimmt, die verbreitete Gleichgültigkeit in diesen Dingen auszunutzen. Hat eine Staatsanwaltschaft, strafvereitelnd im Amte, infolge einer Strafanzeige nicht oder nicht sachgerecht ermittelt, daraufhin dann eingestellt, so kann man Gift darauf nehmen, dass ein Verbrechergericht, das sich später darauf bezieht, schreibt: "Die Staatsanwaltschaft konnte keinen hinreichenden Tatverdacht feststellen." Richtig wäre: "Die Staatsanwalt wollte die Sache einstellen und hat alles vermieden, was dem im Wege gestanden hätte." Aber auf solchen Wegen wird es dann zur gerichtlichen Wahrheit: "An der Sache war und ist nichts dran."

Auf solchem Parcour bewegt man sich seit Jahren im Falle Mollath.

Hinzu kommt, dass selbst kluge Leute leichtfertig Klischees übernehmen, die bei näherer Betrachtung nicht standhalten können. So las ich neulich irgendwo, die Justiz sei vom Volk legitimiert - was ein absoluter Unfug ist, denn sie wird von der Exekutive eingesetzt, und dass die nicht  durch das Volk legitimiert ist, machen Fälle deutlich, in denen die Exekutive am Willen von Volksmehrheiten vorbei operiert: Afghanistan-Krieg, Bankenrettungen, Euro-Rettungsschirme, um nur einige Beispiele zu nennen.

Solange mit grundlegenden Tatsachen so leichtfertig falsch umgegangen wird, solange kann man sich Diskussionen ersparen, solange können sie nicht zu sinnvollen Ergebnissen führen.

Aber auch mit Einzelheiten des Falles Mollath selbst wird großzügig umgegangen: "Es soll geben, er soll gesagt haben, er soll gewürgt haben usw. usf."

Beispiel BGH-Urteil: Die einen sagen: "Der BGH hat keine Verfahrensfehler feststellen können." Erste Frage: Können oder wollen?  Andere sagen sogar: "Verfahrensfehler waren gar nicht geprüft worden, es war nur die Sachrüge, nicht die Prozessrüge erhoben!"

Mollath sagt, sein Verteidiger habe auf Schuldunfähigkeit und Einweisung nach § 63 StGB plädiert - hätte demnach mit dem Urteil rundum zufrieden sein müssen. Aber wer soll dann den Antrag auf Revision gestellt haben, und mit welcher Begründung?

Wie also sieht der Antrag auf Revision aus, wie sieht der darauf erfolgte BGH-Beschluss aus? Keiner weiß, doch alle reden.

Ein anderer Punkt: Wollte die StA die angeblichen Körperverletzungen am 12.08. 2001 (Würgen usw.) zunächst mit einem Strafbefehl ahnden, oder nicht? An der Stelle widersprechen sich Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack und Justizministerin Beate Merk:

http://apokalypse20xy.wordpress.com/2012/12/02/wer-lugt-justizministerin-dr-beate-merk-csu-oder-rechtsanwalt-dr-michael-kleine-cosack-csu-munchen-csu-augsburg-csu-nurnberg-piraten-patrick-linnert-freie-wahler-florian-streiblspd-die/

Ich stehe mit einer gewissen Fassungslosigkeit davor. Natürlich ist klar, dass Gustl Mollath in Anbetracht der Lage damals mit den Nerven am Ende sein musste, dass nicht alles, was in einem schmutzigen Scheidungskrieg lief, als er selbst nervlich angeschlagen war, aus seiner Sicht auf den Tisch der Öffentlichkeit gehört. Da kann es um ganz banale Dinge gehen, die mit Strafbarkeit absolut nichts zu tun haben. Vielleicht hat die auf seine Vernichtung zielende Frau ihm auch noch tagtäglich an den Kopf geworfen, dass er im Bett ein Versager sei oder irgendetwas in der Art - ein sehr probates Mittel, um einen Mann, der noch Liebe für die Frau empfindet, schwer und tief zu verletzen, und an der Stelle verfügen die meisten Männer über ein fest zementiertes Schamgefühl.

Andererseits betrachte ich es als unhaltbaren Zustand, dass über die BGH-Entscheidung spekuliert werden muss, dass über die Existenz eines Strafbefehls spekuliert werden muss, dass die psychiatrischen Gutachten nicht öffentlich verfügbar sind, denn nur dann könnte man sie wirklich überzeugend als das entlarven, was sie nach Lage der Dinge sein müssen.

Dipl.-Kfm. Winfried Sobottka