Punkt 4:
Allerdings kommt die Frage auf, warum Philip auf dem Grundstück der Ostrowski gewendet haben soll: Sein Auto soll er
an anderer Stelle geparkt gehabt haben, und zum Hause der Ostrowski führen zwei Zufahrten, eine von links, eine von rechts
neben dem Haus, die durch eine Straße hinter dem Haus verbunden sind.
Die (lediglich) schematische Darstellung links verdeutlicht, dass es keinen Grund geben kann, ein Auto im Bereich des Ostrowski-Grundstückes zu wenden: Das Haus samt Grundstück ist im Grunde eine Verkehrsinsel, umgeben von asphaltierter Straße, die in beide Richtungen befahren werden darf. Fährt man über die Zufahrt links hinein, dann kann man die Zufahrt rechts als Ausfahrt nutzen und umgekehrt, gelangt in beiden Fällen zur selben Straße für den allgemeinen Verkehr, in die man dann in beiden Fällen rechts oder links einbiegen kann. Wozu also dort wenden?
Geht man davon aus, dass Philip der Mörder gewesen sei, dann muss man fragen, ob er der Polizei einen Gefallen habe tun wollen. Oder weshalb sonst sollte er überflüssige Fahrübungen auf dem Grundstück der Ostrowski veranstaltet haben, wenn nicht deshalb, um möglichst gute Reifenspuren zu hinterlassen?
Sein Auto soll an der Straße gestanden haben, von dort hätte er ganz einfach vorwärts abfahren können. Wer schnell verschwinden will, der wendet nicht, wenn er ganz einfach vorwärts abfahren kann, und wer gerade ein Mädchen gemordet hat, ist nicht daran interessiert, am Tatort möglichst gute Reifenspuren zu erzeugen.
Geht man aber davon aus, dass dem Philip der Mord von langer Hand geplant untergeschoben wurde, dann gibt es eine plausible Begründung für die "Wendespuren": Man hatte einen VW-Golf zum Abholen einer der Besucherinnen genutzt,
dem man den selben Reifentyp aufgezogen hatte, mit dem Philips Golf ausgestattet war
("Gruppenidentifikation", s.o.). Dann gab man sein Bestes, um möglichst gute Spuren auf dem Grundstück der Ostrowski zu hinterlassen.
Die Polizei stellte dann später fest, dass die Spuren zu dem von Philip gefahrenen Auto passten, im Sinne von: "Es könnte das Auto des Philip gewesen sein, das die Spuren erzeugte, Reifentyp und Fahrspur passen." Da diverse andere Indizien scheinbar so sicher auf Philip als Täter deuteten, ging man dann einfach davon aus, dass die Spuren von Philips Auto stammen mussten, schließlich gibt es auf deutschen Straßen nicht nur VW-Golfs mit dem von Philip bevorzugten Reifentyp, und schließlich ist das Grundstück der Ostrowski nicht der Parkplatz einer Mega-Disco, wo in der Nacht von Samstag auf Sonntag tausende von Autos passieren.
Jedenfalls gönnen die Richter den Reifensspuren nur sehr knappe Worte in ihrem Urteil, und unter den Indizien nennen sie es auf Seite 30 an letzter Stelle. Hätten die Spuren eine Individualidentifikation hergegeben, also den technischen Nachweis, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrschein- lichkeit nur von Philips Auto stammen konnten, dann hätten die Richter das in ihrem Urteil sicherlich nicht verheimlicht!